Mir war klar, ich mach' die Seite berühmt"
Im Web wurde "Rettet Paulchen" zur Kultseite - wenn auch anders als gedacht. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE: der anonyme "Scherzkeks", der scherzhaft drohte, das Langohr zu verspeisen - und sich damit massiven Ärger einhandelte.
"Rettet Paulchen": "Geld her, oder ich fresse mein Kaninchen" lautete die Forderung des "frustrierten Scherzkeks" - und dann ging die Post ab
SPIEGEL ONLINE: "Rettet Paulchen" - was haben Sie sich dabei eigentlich gedacht?
"Scherzkeks": Na ja, die Idee kam mir in einer schlaflosen Nacht, das Fernsehen zeigte wie immer nur seine Verblödungspropaganda und dann sorgt jemand wie ich halt selbst für seine Unterhaltung. Dabei kam mir diese Idee. Also habe ich mich in der darauf folgenden Nacht ans Werk gemacht und innerhalb weniger Stunden entstand dieses, wie ich es mittlerweile gern nennen möchte, Meisterwerk. Das war meine erste Internetseite seit fünf Jahren, so etwas in dieser Richtung und in diesem Ausmaß kam bis jetzt von mir noch nicht.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie kommerzielle Interessen?
"Scherzkeks": Nein. Ich lebe wie die meisten Studenten wohl mit einem kleinen aber ausreichenden Geldbeutel. Daran hab ich auch nicht unbedingt vor, etwas zu ändern im Moment. Zu geschenktem Geld würde ich natürlich auch nicht nein sagen, aber das war nicht die Absicht hinter dieser Aktion.
SPIEGEL ONLINE: Ein paar Worte zu Ihrer Person: Wer sind Sie, was machen Sie?
"Scherzkeks": Ich bin 23, Wirtschaftsinformatik-Student im 7. Semester an einer TU in Deutschland. Ansonsten mache ich das, was ein 23-jähriger halt so tut.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben binnen kürzester Zeit sehr viele Besucher auf ihrer Seite gehabt. Wie sahen die Reaktionen aus?
"Scherzkeks": Bis auf wenige private E-Mails kann man alle Reaktionen im Gästebuch nachlesen und sich selbst seine Meinung dazu bilden. Die teilweise doch extremen Kommentare dort haben mit Sicherheit auch ihren Teil dazu beigetragen, dass die Seite innerhalb so kurzer Zeit so bekannt wurde.
SPIEGEL ONLINE: Wie haben die Leute davon erfahren? Gab es Presseberichte?
"Scherzkeks": Ich selbst habe nicht viel Werbung gemacht. Wenn jemand darauf stößt und die Seite amüsant findet, schickt er den Link an alle, die er kennt und so weiter. Dadurch hat sich der Link wie ein Lauffeuer verbreitet und die Besucherzahl stieg jede Stunde rapide an.
SPIEGEL ONLINE: Zum Teil wurden Sie in ihrem Gästebuch übel beschimpft, andere drohen Ihnen mit Klagen. Wie ernst nehmen Sie das alles?
DPA
Hörsaal: Irgendwo in Deutschland studiert der "frustrierte Scherzkeks" Wirtschaftsinformatik
"Scherzkeks": Ob tatsächlich jemand Klage eingereicht hat und ob diese dann nicht im Sand verläuft, wird sich die nächsten Tage zeigen. Allerdings blicke ich dem der Situation entsprechend recht gelassen entgegen, da doch eine ganz gute Chance besteht, auf einen Staatsanwalt mit zumindest ein wenig Humor zu treffen. Die Beschimpfungen wurden schon zur Genüge durch humorvollere Gästebucheinträge kommentiert. Dafür und bei allen andern, denen ich eine kleine Freude machen konnte, möchte ich mich herzlichst bedanken.
SPIEGEL ONLINE: Fühlen Sie sich nicht ernsthaft bedroht? So schwer wäre es doch nicht, herauszufinden, wer Sie sind.
"Scherzkeks": Wenn tatsächlich jemand den Scherz immer noch nicht verstanden hat, was gut vorstellbar ist, wenn man sieht, dass es selbst in aktuellen Gästebucheinträgen nach der Auflösung des Ganzen noch heißt "Töte den Hasen nicht!", und eventuell leichte "psychopatische" Tendenzen zeigt, dann könnten die nächsten Tage noch recht interessant werden.
SPIEGEL ONLINE: Nach nur vier Tagen online haben Sie die Seite mittlerweile "versenkt". Mussten Sie das tun?
"Scherzkeks": Es waren sogar nur knapp 36 Stunden, bevor mein Webspace gelöscht wurde. Wer genau dafür verantwortlich war, weiß ich noch nicht. Ich habe mich dann dazu entschlossen, die Sache für alle verständlich zu gestalten, da ich finde, dass auch Leute mit weniger Humorverständnis mal etwas zum Schmunzeln haben sollten.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es Paulchen wirklich? Wenn ja: Wie geht es ihm, und wie lange noch?
"Scherzkeks": Das Bild stammt aus dem Internet. Dem Besitzer habe ich geschrieben und nachgefragt, aber dieser hat sich leider noch nicht bei mir gemeldet. Paulchen, wie ich ihn genannt habe, war einfach der Süßeste auf allen Kaninchenbildern im Internet und irgendwie war klar, dass sich die meisten direkt in ihn verlieben würden. Mir war auf den ersten Blick klar: "Du machst die Seite berühmt!"
SPIEGEL ONLINE: Was würden Sie den Leuten, die sich in Ihrem Gästebuch so aufregen konnten, gern einmal sagen?
"Scherzkeks": Ja, eine Sache: Achtet mal bitte bei euren nächsten Scherzen darauf, ob ihr immer die einzigen seid, die darüber lachen. Wenn dem so ist, würde ich mir darüber mal ernsthaft Gedanken machen.
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[ Diese Nachricht wurde geändert von: Amicitia am 2003-12-02 16:13 ]