Legenden des Weltfußballs - Teil 1: Der König des Fußballs
von Alo Atog
Die FIFA ernannte ihn zum besten Stürmer des 20. Jahrhunderts.
Bei 1.239 Spielen soll er 1.329 Tore erzielt haben.
In seiner Heimat Brasilien nennt man ihn "Pé de Ouro" (Goldfuß), "El Tigre" (der Tiger) oder "Homo ludens" (spielender Menschen). In Europa verlieh man ihm den Titel "Roi du Football" (König des Fußballs).
Sein Name? Nicht Ronaldo, nicht Romario, nicht Garincha und auch nicht Pele. Keiner dieser Spieler war geboren, als sich in Sao Paulo ein Junge aufmachte den Fußball zu revolutionieren, eine ganze Nation mit dem Fußballfieber zu infizieren und mit seinen Toren einen Rekord für die Ewigkeit aufzustellen - der jedoch von vielen Experten angezweifelt wird.
Sein Name: Arthur Friedenreich.
Als Sohn eines deutschen Einwanderers und einer farbigen Sklavin wurde er 1892 in Sao Paulo geboren. Als ein Wanderer zwischen den Welten, da Brasilien in dieser Zeit von Unterdrückung und Rassenhass gekennzeichnet war. Wegen seinem Vater wurde er in die elitäre Oberschicht geboren, in der er jedoch wegen seiner dunklen Hautfarbe als Außenseiter galt. Dennoch hatte er Möglichkeiten, die sich anderen Farbigen so früh nicht boten. Er durfte Fußball Spielen. Offiziell, in Vereinen, in Stadien.
Europäische Emigranten (hauptsächlich aus England) brachten zu dieser Zeit neben ihrer Kultur auch den Fußball nach Brasilien. Allerdings pflegten sie dieses Hobby in Clubs, die nur für Mitglieder ihrer Schicht vorbehalten waren und in denen strenge Aufnahmekriterien herrschten - eines davon war die Hautfabre. Erst als der SC Germânia 1909 seine Vereinssatzung änderte war es für Friedenreich möglich diesem Clubs beizutreten und professionell Fußball zu spielen.
Doch nur weil er jetzt ein Mitglied eines Clubs war, war er noch lange kein Teil dieser Gesellschaft. In den Stadien war er den Anfeindungen von Zuschauern (wie die Aufnahme in die Clubs, war auch der Besuch von Fußballspielen nur einem gewissen Klientel vorbehalten) ausgesetzt, Gegenspieler foulten ihn andauernd und die Schiedsrichter ließen Fouls an farbigen Spielern damals oft einfach weiterlaufen.
Während ihm die Herkunft seines Vaters die Tür zum Fußball öffnete, bescherte ihm die Herkunft seiner Mutter Fähigkeiten, die Friedenreich schnell zu einem Star in Sao Paulo machten - in allen Schichten.
Sein Spielstil erinnerte an den Capoeira, einen Tanz der schwarzen Sklaven, da er im Dribbling die Beine einknickte und sich mit dem ganzen Körper um die Gegenspieler schlängelte, um deren harten Tritte zu entkommen. Solche Dribblings hatte man bis dato noch nicht gesehen. Auch beim Torschuss hatte Friedenreich eine Geheimwaffe. Als erster Spieler soll es ihm gelungen sein, die Bälle mit Effet zu schießen, was den Bällen eine noch nicht bekannte Flugbahn verlieh.
In seiner Karriere wechselte er in 26 Jahren 21 Mal den Verein und spielte bei insgesamt 15 verschiedenen Clubs. Er wurde neun Mal Torschützenkönig und gewann sieben Mal die Staatsmeisterschaft von Sao Paulo. Mit seinem damaligen Verein, dem Club Athletico Paulistano, machte er sich 1925 auf, eine Reihe von Freundschaftsspielen in Europa zu bestreiten. Auf Grund seiner Leichtigkeit im Dribbling und seiner vielen Tore hat man ihn in Frankreich, nach einem 7:2 Sieg über die französische Nationalmannschaft zum "König des Fußballs" ernannt!
Auch das Trikot der Selecao durfte sich Friedenreich überstreifen. Als einziger Farbiger bestritt er das erste Spiel einer brasilianischen Auswahl gegen den englischen Verein Exeter City. Allerdings blieb ihm eine Teilnahme an einer Weltmeisterschaft verwehrt. 1930 lagen die Verbände aus Sao Paulo und Rio de Janeiro im Streit, so dass keine Spieler aus Sao Paulo nominiert wurden und vier Jahre später in Italien war er dann mit 42 Jahren schon zu alt. Lediglich an der Copa America nahm er teil und dort wurde er zum ersten Helden der Selecao: Das Finale der Südamerika Meisterschaft von 1919 endete nach 90 Minuten 0:0 Unentschieden zwischen Gastgeber Brasilien und Titelverteidiger Uruguay. Man entschloss sich zu einer Verlängerung über vier Mal 15 Minuten. In der 150. Minute, also in der letzten Minute des gesamten Spiels, kurz bevor ein Münzwurf über Sieg oder Niederlage entschieden hätte, erzielte Friedenreich das entscheidende erste Tor. Brasilien hatte zum ersten Mal einen internationalen Titel gewonnen, eine Fußball-Nation war endgültig geboren und ihr erster Held gefunden!
Heute kennt kaum noch einer Arthur Friedenreich. Zum einen war er, bis auf ein einjähriges Gastspiel am Ende seiner Karriere in Rio de Janeiro (beim CR Flamengo), nur in Sao Paulo aktiv, zum anderen gibt es kaum Aufzeichnungen über ihn. Das Fernsehen steckte, wie der Fußball, noch in seinen Kinderschuhen. Datenbanken wurden erst viel später angelegt. So überlebte die Legende von Friedenreich nur durchs hören sagen. Pele sagte über ihn: "Arthur war ein ganz großer Spieler in Brasilien. Mein Vater hat oft von seinen Toren geschwärmt."
Heute erinnert nur noch ein Denkmal in Sao Paulo an den ersten Helden des brasilianischen Fußballs, den König des Fußballs.
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Zuletzt bearbeitet von Alo Atog am 30 Okt 2009 11:34, insgesamt einmal bearbeitet