TEIl 3
Um 7 wurde ich wach und begrüßte den Tag mit einem 10minütigen Hustenanfall, der sich aus Raucherhusten, Sandlunge und Erkältung zusammensetzte. Letztere war schon ´ne Woche alt und ich dachte, sie wäre erledigt, aber durch den nächtlichen Sturm feierte sie ein grandioses Comeback!
Es war nach wie vor ziemlich windig, alle anderen, die am Vorabend ihr Lager in der Bucht aufgeschlagen hatten, waren schon lange weg.
Der einzige, der völlig problemlos knapp 8 Stunden durchschlief, war Dirk. Mein Bruder Dirk. (wir sind keine leiblichen Brüder, nur Brüder im Geiste.)
Dirk ist völlig schmerzfrei, ich meine, er ist Schlachter und Metzger von Beruf und könnte ebensogut problemlos für ´nen Bauunternehmer arbeiten, als lebende Abrissbirne.
Ich putzte mir die Zähne, versuchte mich notdürftig zu waschen und weckte Dirk.
"DICKER!!"
"Was willst Du?"
"Steh auf, Du Schwein!"
"Was is´n hier los? Wo kommt denn der ganze Scheiß Sand her?"
"Könnte damit zusammenhängen, daß Du mitten im Sandsturm gepennt hast!"
"Möglich. Drecks Pennfoz!"
Nachdem Dirk unter Zuhilfenahme von 2 großen Flaschen Wasser den Sand von seinem grazilen Körper gespült hatte, hatten wir beide nur noch einen Gedanken im Kopf: Kaffee!
Wir fuhren los und sahen schon nach knapp 200 Metern eine windschiefe Hütte aus verwitterten Holz, mit einem Dach aus Presspappe und Zeltplane. Wir parkten den Wagen, gingen in die Hütte und guckten zu unserer Überraschung in die ängstlichen Gesichter einer alten Frau hinterm Tresen und 3er alter Männer davor. Vermutlich sahen wir tatsächlich etwas zum Fürchten aus, beide etwa 1,90 Meter zum Quadrat, situationsbedingt leicht ungepflegt und angesichts der Tageszeit und des noch nicht getrunkenen Kaffees nicht unbedingt gut gelaunt...
Nachdem die alte Frau begriffen hatte, daß wir sie weder ausrauben, noch umbringen wollten, machte sie uns den besten Kaffee, den wir in Portugal zu trinken bekamen.
Von nun an gingen wir jeden morgen in die kleine Hütte, der wir den ungeheuer einfallsreichen Namen "Kaffeefoz" gaben.
Nach einer Stunde und jeweils 3 Kaffee machte sich ein leichtes Hüngerchen bemerkbar, wir fuhren zum Rocky Point.
Ich bestellte für uns beide jeweils 1 "Toast Mista."
Sprachgenie Dirk, der der festen Überzeugung ist, sich mit "thank you" und "merci" weltweit ausreichend verständigen zu können, fragte mich:
"Wat für´n Mister soll ich hier fressen?"
"Mista, Dicker, Toast Mista, dat heisst gemischt. Schinken und Käse."
"Ach so. Sach das doch gleich."
Nach jeweils 2 Toast Mista und 2 weiteren Kaffee hatten wir eine glorreiche Idee: Wie wär´s denn mal mit duschen?
Es war Dienstag vormittag, 11 Uhr, das letzte Mal hatten wir Samstag nachmittag geduscht...der MOB fing langsam an zu stinken!
Wir fuhren den Strand entlang und hofften, irgendwo Duschen zu sehen. Nix.
Nach einiger Zeit beschlossen wir, den nächstbesten Campingplatz anzusteuern, nach kurzer Zeit fanden wir einen.
Dieser Campingplatz war fest in holländischer Hand, überall wurden unsere Augen durch dieses hässlich leuchtende Orange beleidigt. Ein paar Deutsche waren allerdings auch da, 3 von ihnen kamen gerade auf dem Parkplatz an.
"Moin Jungs, kann man hier halbwegs vernünftig duschen?"
"Geht so, sind halt viele Holländer hier, ist also alles ziemlich versifft.
) Aber fließendes warmes Wasser gibt es immerhin."
"Muss man am Eingang nen Platzausweis vorlegen, oder kommt man auch so drauf?"
"Geht auch so, die kontrollieren hier eigentlich gar nix. Unser Ausweis liegt z.B im Zelt, hat hier noch nie jemand nach gefragt."
Nach kurzem weiteren Gespräch mit den 3 Jungs nahmen wir unser Waschzeug aus dem Wagen und gingen unbehelligt auf den Platz.
Der MOB duschte ausgiebig!
Danach fuhren wir zurück zum Rocky Point, in dem mein Magen-Darmtrakt mir mitteilte, das ein Besuch der Toilette keinen weiteren Aufschub duldet. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, das das Rocky Point gar keine Toiletten hatte, zumindest nicht in der Kneipe. Ich musste rausgehen, 50 Meter weiter war ein separates Toilettenhäuschen. Eiligen Schrittes ging ich rein und sah als erstes...
DUSCHEN!
Wir sind 10 Kilometer die Küste rauf und runter gefahren, haben letzten Endes auf einem völlig versifften Campingplatz geduscht, um dann festzustellen, das direkt an unserem Ausgangspunkt blitzsaubere Duschen waren...
Nach beeindruckender Sitzung ging ich zurück zu Dirk.
"Dicker, was glaubst Du wohl, was ich soeben entdeckt habe?"
"Was weiß ich. Sackratten vielleicht?"
"Nein. Duschen!"
"Duschen?"
"Duschen!!"
Etwa eine Stunde später, so ca 13:30 Uhr machten wir uns auf zum Stadion. Es waren zwar noch über 6 Stunden Zeit bis zum Spiel, aber wir wollten die Athmosphäre vorher genießen, einen günstigen Parkplatz erwischen und möglichst früh ins Stadion, um unsere Zaunfahne gut zu positionieren.
Wir bekamen einen guten Parkplatz und erkundeten zu Fuß die nähere Umgebung rund ums Stadion. Überall wurden uns Karten angeboten, teilweise unter Normalpreis, aber wir hatten unsere ja. Wir kamen hier und da mit anderen Deutschen ins Gespräch und stellten fest, das es zwischen den Anhängern verschiedener Bundesligavereine keinerlei Theater gab. Es war so ziemlich alles vertreten, sogar mit Kölnern kamen wir stressfrei ins Gespräch.
In einer kleinen Eckkneipe tranken wir noch ´n Kaffee und machten uns um 16:30 auf den Weg zum Stadion. Unterwegs hielten wir kurz am Wagen, holten die Fahne und malten uns mit der Fingerfarbe aus dem "Kicker EM Sonderheft" die Deutschlandflagge ins Gesicht, die sich sofort mit unserem Schweiß (es war brüllend heiß) vermischte und entsprechend verlief. Kurz und gut: Wir sahen ausgesprochen Scheiße aus!
Um 16:45 standen wir so ziemlich als erste an der Absperrung, 5 Minuten später durften wir rein und waren allen Ernstes die ersten im weiten Rund des Stadions.
Wir hatten uns vorgestellt, das wir ausgiebig gefilzt würden, aber ich habe selten so lasche Kontrollen erlebt. Kurzes Abtasten, das wars dann auch.
Wir hatten keine Karten für die Fankurve, sondern für die von der Fankurve aus gesehene linke Gerade. Übertragen auf den Bökelberg die Ostgerade, erster Block.
Unsere Zaunfahne hängten wir direkt in Höhe der Eckfahne auf. Pole Position.
So langsam füllte sich das Stadion, wir hielten nach bekannten Gesichtern Ausschau. Auf einmal sagte Dirk zu mir:
"Hinter uns ist Dein Freund!"
"Welcher, ich hab so viele?"
"Der Preussenkasper!"
"Der Preussenkasper? Aha!"
Ich drehte mich um und sah ihn sofort, keine 20 Meter hinter mir.
" EY, PREUSSENKASPER!!!"
Er drehte sich um, sah mich, grinste, und wir gingen aufeinander zu.
Es folgte ein wahrhaft historischer Moment: Der Preussenkasper und Foen gaben sich die Hand! Regelmäßige Leser von borussia-forum werden die historische Dimension dieses freundschaftlichen Aktes entsprechend einordnen können.
))
Was folgte war ein Gespräch, frei von irgendwelchen Animositäten und geprägt von der Erkenntnis, das man komplett verschiedene Ansichten und Lebensgewohnheiten haben und trotzdem respektvoll miteinander umgehen kann. Wer hätte das gedacht?
Bei einem weiteren Rundgang trafen wir noch auf Willi von den "Alten Borussen," ansonsten sahen wir nur reichlich bekannte Zaunfahnen, nicht aber die dazugehörigen Borussen.
Kurz vor dem Spiel versuchte ein völlig besoffener Nürnberger "Ultra," unsere Fahne mit seiner zu überdecken. Es gelang uns, ihn durch sagen wir mal "körperliche Präsenz" von seinem Vorhaben abzubringen...
Zum Spiel schreibe ich hier gar nix, das ist ja alles hinreichend bekannt. Wie wir hörten, hat JB Kerner wohl erzählt, es wären etwa 3/4 Holländer und 1/4 Deutsche im Stadion gewesen. Das ist, wie so vieles von JBK, Blödsinn. Dieses bepisste Orange fällt natürlich mehr auf, wenn im Deutschen Lager ein paar von denen sitzen denkt man gleich, der Block wäre ziemlich gemischt. Umgekehrt fallen weiße Trikots unter den orangenen kaum auf, man muss schon genau hinsehen. Ich schätze, es waren ca 24.000 Holländer und 16.000 Deutsche, allerdings war von den Holländern während des Spiels fast nichts zu hören.
Supportmäßig überwog der "Deutschland, Deutschland" Wechselgesang zwischen Kurve und "Ostgerade," der hervorragend funktionierte. Zwischendurch bewiesen wir den Holländern natürlich immer wieder unsere überschäumende Zuneigung, indem wir "ooho, schwuuuuule, schwuuuule Holländeeeer" anstimmten.
Was Dirk und mich überraschte war, das wir so nervös waren, als würde da unten auf dem Platz Borussia in einem wichtigen Spiel stehen. Natürlich waren wir da, um die deutsche Mannschaft zu supporten, aber mit welcher Intensität und Emotionalität wir das taten, hatten wir beide nicht erwartet.
Das da unten war UNSERE Mannschaft.
Olli Kahn, der Inbegriff des Klassenfeindes, war UNSER Torwart.
Auch hatten wir nicht erwartet, das unser Team über weite Strecken spielbestimmend und das Resultat letztlich glücklich für die Holländer war.
Alles in allem war es ein wirklich grandioses Erlebnis!
Nach Spielende gingen wir nochmal kurz in die Kneipe, in der wir vor dem Spiel waren und warteten auf das Ende des Verkehrschaos.
Etwa eine Stunde später machten wir noch einen kurzen Abstecher in die Hafengegend, aßen noch ´ne Kleinigkeit und suchten dann ziemlich platt unseren Pennfoz auf. Es war weniger windig als am Vorabend, ansonsten war alles wie gehabt: Dirk machte die Augen zu und war sofort weg, ich brauchte wieder etwas länger, schlief irgendwann ein, wurde hustend wieder wach...Pussy Foen ging wieder ins Auto...