Das hört sich einfach an, isses aber nich, weil beim Zeltsaufen gibt es festgelegte Rituale, die man unbedingt beachten muß:
1. Ein Bier bestellen geht gar nich. Damit sagt man, dass man ne knickrige Sau is, keine Freunde hat oder Antialkoholiker is, so oder so quasi das allerletzte.
2. Also immer mindestens zehn Stück, einen Meter oder ein ganze Tablett. Nie vorher abzählen, wie viel Leute um einen herumstehen und dann genau die Anzahl bestellen. Am besten irgendeine Zahl über die Theke grölen und ab dafür.
3. Ganz falsch: Die Umstehenden fragen, ob sie überhaupt noch ein Bier haben wollen. Wichtige Regel: gefragt wird nich. Saufen ist schließlich kein Spaß.
4. Wenn der Stoff da is, nich blöd rumgucken und überlegen, wem man denn eins in die Hand drücken soll. Am besten die Gläser wild in der Umgebung verteilen, denn nur so zeigt man seine Großzügigkeit. Nur der kleinkarierte Pisser stellt sich da an.
5. Wer zahlt wann welche Runde? In der Regel kommt jeder der Reihe nach dran. Ganz miese Wichser saufen die ersten neun Runden an der Theke mit und Wenn sie an der Reihe wären, müssen sie plötzlich pissen.
Der erste Besteller bestimmt meist die Dauer des Projekts: Wenn er zwölf Bier bestellt, müssen alle solange warten, bis zwölf Runden durch sind. Wichtig ist, dass der Strom nie abreißt. Also wenn alle noch die Hälfte im Glas haben, sofort die nächste Runde ordern und das neue Glas in die Hand drücken. Was voll peinlich ist: Mit zwei Gläsern in der Hand an der Theke stehen, deshalb is Tempo angesagt beim reinschütten, is schließlich kein Kindergeburtstag hier.
6. Richtig fiese Schweine bestellen zwischendurch noch ne Runde Korn oder die absolute Hölle "Meyers Bitter", eine Art grünes Schlangengift, dass mit dem Eiter von toten Fröschen verfeinert wurde.
Hier wird's ernst. Sollte sich so was andeuten, kann man bloß noch die Flucht ergreifen. Merke:
Biersaufen kann man auf’m Zeltfest mit etwas Planung und Glück überleben; nach Meyers Bitter weigert sich sogar der Notarzt diese Schweinerei wiederzubeleben.
7. Konsequent durchgezogen, bist Du normalerweise auf’m Zelt um halb neun stramm wie die Kesselflicker. Geht natürlich nich, weil Du kannst ja noch nich nach Hause, wegen Verdachts auf Weichei. Was also dann?
Pausen machen!
Dafür sind in der Regel zwei Sachen vorgesehen: Bratwurstfressen und Tanzen.
Erstens: Bratwurstfressen
Vorteil: an der Bude gib’s kein Meyers Bitter, da bist Du also ne zeitlang sicher vor der Alkoholvergiftung durch andere. Nu sind die Bratwurststände auf Zeltfesten immer so konzipiert, dass die Nachfrage immer größer ist als das Angebot. In der Bude arbeiten auch meistens Fachkräfte, denen man beim Grillen die Schuhe besohlen kann. Einzige Qualifikation: sie können mit einem Sauerstoffanteil in der Luft von unter 1% überleben, deswegen wirken sie auch so scheintot. Nu sagt der Laie: wat’n Scheiß, das könnte man doch viel besser organisieren: Zackzack kämen die Riemen über’n Tresen.
Falsch: Die mickrigen Bratwurstbuden mit den Untoten am Grill stehen da nich aus Versehen, sondern absichtlich. Hier kann man Asyl beantragen von der Sauferei und je länger man auf den verkohlten Prengel warten muß, desto größer die Überlebenschance.
Zweitens: Tanzen:
Im Vergleich zu Bratwurstfressen natürlich die schlechtere Wahl, weil anstrengend. Aber irgendwann geht halt kein Riemen mehr rein in den Pansen und Du musst in den sauren Apfel beißen. Also zack, den Arsch von der Bänk gerissen und irgendwie bescheuerte Bewegungen machen.
Wenn Du Glück hast, spielt die Kapelle mehr als zwei Stücke und Du kannst Dir ein paar Bier aussen Rippen schwitzen. Hast Du Pech, kommt sofort nach’m ersten Stück der Thekenmarsch und Du stehst wieder da, von wo Du gerade geflohen bist.
Drittens: Sektbar
Eine richtig gruselige Bude, quasi die Abferkelbox im Festzelt. Hier isses so voll und eng, hier bleibst Du auch noch stehen, wenn’s eigentlich schon nich mehr geht. Es soll schon Kriegsverletzte gegeben haben, denen hat man in der Sektbar beide Beinprothesen geklaut und sie haben’s nich ma gemerkt. Doch der Preis, den Du für die Stehhilfe zahlst is hoch: Du musst Sekt saufen aus so mickrigen Blumenvasen, die man von der Spermaprobe beim Urologen kennt.
Ziemlich eklig alles. Wenn’s keine Sektbar gibt, gibst meist ne
Cocktailbar:
Cocktail heißt im Zelt aber nich Caipirinha oder Margerita sondern Fanta/Korn oder Korn mit Fanta. Also vorsichtig. Hier kann’s ganz schnell zuende gehen. Eine Alternative für den ganzen schnellen Weg ins Nirwana is noch der hannoversche Zaubertrank: Lüttje Lage. Vom Preis-Leistungs-Verhältnis her immer noch ne reelle Sache: So besäuft sich der kritische Verbraucher und hat es ruckzuck geschafft.
Doch bevor Du nach Hause darfst, kommt noch ein ganz wichtiger Punkt, nämlich...
Viertens: Kotzen
Klingt scheiße, Du wirst aber dankbar sein, wenn Dein Körper, Dir dieses Geschenk bereitet. Du hast Platz für neue Bratwürste und vielleicht sogar Glück, dass Du die letzten zwanzig Bier noch erwischt, bevor sie Dein Gehirn erreicht haben. Der Profi jedenfalls kotzt oft und gern.
So jetzt wären wir auch schon bald beim Nachhause gehen. Haha.
Wenn Du aber den Zeitpunkt verpasst hast und Du kommst vom Pissen oder Bratwurstkotzen wieder ins Zelt und es sind bloß noch zwanzig Mann übrig.
Ätsch: Arschkarte gezogen. Denn jetzt heißt es:
Fünftens: Die Letzten
Ab jetzt geht es um so spannende Sachen wie Fassaussaufen - es is immer mehr drin, als Du denkst; oder Absacker trinken, wenn’s ein Meyers Bitter ist, kannst Du Dir gleich den Umweg über den Notarzt sparen und den Bestatter anrufen. Jeder passt jetzt auf, dass keiner heimlich abhaut.
Die ersten sacken einfach so vor der Theke zusammen, damit sie nich noch mehr saufen müssen. Vorteil dieser Phase des Zeltfestes: Du musst nich mehr extra mehr nach draußen latschen für Pissen und Kotzen:
geht jetzt alles vor Ort.
Sechstens: Nach Hause
Fällt aus. Mach Dir keine Illusionen: alleine schaffst Du´s nich mehr, Taxis gibst nich auf’m Land, und wenn, würden sie Dich nich mitnehmen. Deine Frau kommt nich, um Dich zu holen, die is froh, daß dieses Wrack nich inner Wohnung liegt und der Gestank in die Möbel zieht. Was bleibt ist..
Siebtens: Der Morgen danach
Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch die Ritzen in der Zeltfestplane.
Du wirst wach von einem Zungenkuss, wie Du ihn noch nie in Deinem Leben gekriegt hast. Leidenschaftlich küsst Du zurück. Dann machst Du Deine verklebten Augen auf und blickst in das fröhliche Gesicht des zottigen Köters vom Karussellfritzen. Und mit deinem eigenen Beitrag zum Thema Würfelhusten fängt der Tag wieder an. Dein Kopf fühlt sich an wie nach einem Steckschuss. Jetzt hilft nur noch: Konterbier bis die Maschine wieder halbwegs normal läuft.
Seid froh, dass die Schützenfest-Saison vorbei ist, wir alle hier können stolz und fröhlich sein, denn wieder einmal haben wir es überlebt.
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