Streit um das neue Meldegesetz - Sturm im Wasserglas?

Berlin, 28. Juni 2012 - Fußballbegeisterte werden dieses Datum wohl am ehesten mit dem Halbfinal-Aus der Deutschen Nationalelf bei der Europameisterschaft gegen Italien verbinden.

In Vergessenheit wäre hingegen beinahe die praktisch zeitgleiche Bundestagsabstimmung über das neue Meldegesetz geraten. Die Regierungskolaition aus CDU/CSU und FDP hatte bei der Abstimmung des neuen Meldegesetzes im Bundestag leichtes Spiel. Angesichts des Halbfinalspiels war Widerstand der Opposition kaum auszumachen. Konkreter: Diese war nur marginal anwesend. Der Fußball verlangte die vollste Aufmerksamkeit eines jeden Patrioten.

Das neue Meldegesetz sieht vor, der Privatwirtschaft - soll heißen Inkassounternehmen, Adresshändlern und der Werbewirtschaft - staatlich erhobene Daten ihrer Bürger zugänglich zu machen.
Im Klartext: Der Staat erteilt Privatunternehmen auf Anfrage Auskunft zu Vornamen, Namen und Adressen seiner Bürger.
Dagegen wehren können sich Bürger, indem sie schriftlich Widerspruch gegen die Wetergabe ihrer Daten einreichen. Doch auch hier nur bedingt; wünschen interessierte Unternehmen Auskunft zum Zwecke der Aktualisierung ihrer bereits verhandenen Datenbestände, lässt sich dies auch mit einer Widerspruchserklärung nicht verhindern. Wer Widerspruch nach bereits geschehener Auskunftserteilung einlegt, guckt ohnehin in die Röhre.

Inzwischen ist Deutschland gegen Italien ausgeschieden, die EM zuende gespielt und man besinnt sich hierzulande wieder nächstwichtigeren Themen. Mit mal ist die Empörung über das neue Meldegesetz riesengroß.
Dass Datenschützer refleyartig sturm laufen, war abzusehen. Und auch die aufkommende Empörung der Opposition - Anwesenheit im Parlament hin oder her - versetzt den interessierten Beobachter kaum in Erstaunen.
Eher schon die Tatsache, dass selbst Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner der CSU pötzich Handlungsbedarf sieht. "Es geht nicht an, dass Daten, die der Staat zwangsweise erhebt, gegen Entgelt und ohne Einwilligung des Betroffenen weitergegeben werden." so das überraschend überraschende Statement unserer treuen Wächterin des Verbraucherschutzes.

Man darf gespannt sein, ob das Gesetz wie geplant im Jahr 2014 in Kraft tritt oder noch am Widerstand der Opposition im Bundesrat scheitert ...


An dieser Stelle dürfen viele Fragen erlaubt sein, so z.B folgende:

- Was ist vom neuen Meldegesetz zu halten?

- Wie soll man das Verhalten der Oppositionsparteien aus SPD, Grünen und der Linken bewerten? Wie das der wundersam erleuchteten Verbraucherschutzministerin Aigner?

- Nicht zuletzt: Was hat sich die Regierungskoalition bei der Ausarbeitung und Verabschiedung genau dieses Gesetzesentwurfes gedacht?


Es darf diskutiert werden. ich bin gespannt auf eure Meinungen!

So, und da es irgendwie blöd kommt, so ein Thema ins Rollen zu bringen, ohne selbst einen Standpunkt zu beziehen, meine Meinung zur Sache, die möglicherweise bereits im Startpost bereits angeklungen ist. Man sehe mir das bitte nach, aber ich kann grad nicht anders...

Vorab gesagt: Ich habe dieses Thema schon allein aus Verärgerung und aus einem vllt. etwas naiv anmutenden Bemühen um breitere Aufmerksamkeitfür dieses Thema eröffnet.

Dass ein neues Meldegesetz notwendig ist und Sinn macht, will ich nicht mal in Frage stellen. Dass die Kompetenzen zum Meldegesetz von der Landesebene auf den Bund übergehen, halte ich durchaus für verschmerzbar. Einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten der Bürger kann man wohl mit gutem Recht sowohl von der einen als auch der anderen Instanz erwarten.

Was mich sehr viel mehr aufregt, ist die geplante Praxis der Auskunfterteilung ansich. Was zum Geier geht in einigen Köpfen vor sich, Daten der Staatsbürger der Privatwirtschaft in diesem Maße zugänglich zu machen? Mag ja sein, dass Inkassounternehmen bereits in der Vergangenheit auf Auskünfte der Ämter zurückgegriffen haben, eine Weitergabe an Adresshändler und ähnliche, die mE permanent in einer Grauzone zur Kriminalität, mindestens aber im Bereich allgemeiner Unerwünschtheit arbeiten, halte ich jedoch für völlig absurd und erschreckend.

Warum aber gestaltet man Widerspruchsmöglichkeiten in dieser Form, dass zuerst der Bürger aktiv werden muss? Und warum beschneidet man die Widerspruchsmöglichkeit gleich derart deutlich, dass sie praktisch unbrauchbar ist?
Was für ein Signal geht von alledem denn bitte aus? In erster Linie doch wohl das unverhohlene Bekenntnis unserer werten Regierung, dass ihr die Interessen der Privatwirtschaft weit näher liegen als bürgerliche Rechte der Bevölkerung.

Ich kann nur hoffen, dass dieser Mist am Widerstand des Bundestags scheitert. Und um ehrlich zu sein wünsche ich mir darüber hinaus, dass dieses Gesetz der Regierungskoalition wie Scheße um die Ohren fliegen und das Genick brechen wird. Eine Politik mit solch absurder Prioritätensetzung halte ich für unerträglich. Gleichwohl befürchte ich, dass das Thema Datenschutz nicht das hierfür notwendige Maß an medialer Aufmerksamkeit erfahren wird. Leider.

Die Rolle der Opposition ist indes kaum besser und lässt sich wohl am besten unter Stichworten wie 'Desinteresse', 'Ignoranz' oder 'Schlafmützigkeit' zusammenfassen. Als es im Parlament drauf ankommt, ist ein Fußballspiel wichtiger. Erst im Nachhinein tönen Künast und Gabriel mal wieder am allerlautesten rum. Ohnehin Gabriel: Der Mann zeigt einmal mehr, dass er eine absolute Flasche ist.

Wie gesagt: Ich hoffe, dass das Gesetz am Bundesrat scheitert und in der Tonne landet. Wer es dort verhindert, ist mir völlig egal, einen Orden hat in dieser Angelegenheit ohnehin keine Partei verdient.

am geilsten finde ich ja das Video von der Abstimmung im Bundestag - könnte direkt aus einem Loriot-Sketch stammen, alleine schon weil es auch wegen der Länge von nur 59 sek dazu passt

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article108124972/Bundestag-verkauft-Buergerrechte-in-nur-57-Sekunden.html

Und obwohl ich beruflich im Ordnungsamt arbeite und genau davon betroffen bin, welche Daten ich denn nun in Zukunft verkaufen "darf" und dies nur eine Neuregelung auf nun Bundesebene und nicht mehr Ländereben (Förderalismusreform) und dies auch auf Länderebene bereits praktizierende Normalität ist hoffe ich auf eine ausführlichere Diskussion im Bundesrat(!!!)

http://www.avaaz.org/de/stoppt_das_meldegesetz/?cHdindb

Seh das nicht kritisch. Klar, Lobbyisteneinfluss lässt sich nicht verhindern, aber die Tatsache dass das Ding niemals durch den Bundesrat kommt zeugt von einem funktionierenden System.

Viel lächerlicher find' ich dagegen alle die jetzt gegen die Abgeordneten wettern weil die nicht im Plenarsaal waren. Hab den Fehler gemacht und mir auf verschiendensten Plattformen Leserbriefe und Meinungen durchgelesen. Da kommt einem teilweise echt das Abendessen hoch bei solch populistischen Schmarrnaussagen ohne einen Funken Ahnung, wie unsere Gesetzgebung denn funktioniert und normalerweise abläuft.

Ein treffendes beispiel, wie unsere Politik in Deutschland funktioniert.

Die Regierung versucht unpopuläre Entscheidungen hinter dem Rücken der Bürger durchzuboxen, während offenkundig auch die Opposition schläft (bzw. wichtigeres zu tun hat, als während einer SItzung im Plenum zu sitzen).

Später mimt dann die Opposition große Entrüstung, obwohl sie selbst ja vorher gepennt hat.

Die Regierung nimmt unterdessen selbst Abstand vom Entwurf.

Heraus kommt nüscht.

Wenn man so als Selbstständiger oder in der freien Wirtschaft arbeiten würde, wäre man nicht lange dabei.