Der Fußball bleibt Mensch
30.06.1966 in Wembley – eine Hommage an den Fußball mit all seinen Facetten. In Zeiten moderner Technik, 200 Super-Zeitlupen und lamentierenden Trainern wirkt ein Rückblick auf derartige damalige Geschehnisse wie eine Heilsalbe.
Deutschland kassiert das 2:3 gegen England in Wembley durch ein Tor, das wohl keines war. Der Ball prallt von der Latte vor die Linie, Schiedsrichter Gottfried Dienst entschied damals dennoch für Tor von England. Eine der größten Geschichten des Fußballs war geboren.
War der Ball hinter der Linie oder hat er noch nicht mit vollem Umfang die weiße Kreide überschritten? Es wurde auch in letzter Zeit viel gemosert. Nach Abpfiff regten sich regelmäßig dieselben Trainer und Verantwortlichen auf und plädierten für die Torkamera. Oder halt einen Chip im Ball. Diese schreiende Ungerechtigkeit der Menschlichkeit des Fußballs und der Schiedsrichter sollte schleunigst beseitigt werden, so der weit verbreitete Tenor.
Sicher, eine Kamera oder ein Chip würden die Diskussionen verstummen lassen, ob es ein Tor war oder nicht. Es würden jedoch neue Debatten und Tränen folgen. Denn den Fußball seiner Menschlichkeit zu beschneiden, muss nicht zwangsweise jedermann glücklich machen. Das Spiel würde unterbrochen werden müssen, um Beweismaterial zu sichten – Dynamik im Spiel würde dadurch verloren gehen. Die Emotionen dürfen beim Fußball auch gerne weiter hochkochen, davon lebt er nun mal. Was wäre dieser Ballsport ohne die Geschichte des Wembley-Tors? Einer Anekdote, die ein Großvater seinem Enkel auf dem Schaukelstuhl erzählt. In Zuständen modernster Technik, Kontrollwahn und einem unmenschlichen Druck auf Gesellschaft und Personen des öffentlichen Lebens muss nicht noch ein Videobeweis installiert werden. Die Referees sind ein menschlicher Teil des Fußballmikrokosmos, das sollte nicht vergessen werden.
Die Welt des runden Leders benötigt kein Dasein wie im Film Minority Report, wo jeder Fehltritt schon im Keim erstickt wird, jede humane Schwäche ausgemerzt wird und der Zufall vollends verschwindet. Fehlen nur noch die allgegenwärtigen Augenscanner – beispielsweise an jedem Eingang zum Stadion.
Auch die FIFA stößt nun ins selbe Horn – am 6.3.2010 entschied sie, den Einsatz von technischen Hilfsmitteln weitestgehend herauszuhalten. Lediglich die Torrichter stehen weiter zur Debatte. Das Einzigartige seien die Menschen und der Fußball lebe auch von diesen Fehlentscheidungen, so die FIFA-Offiziellen. Man muss kein Fan der Politik von Blatters Instanz sein, hier aber scheinen sie Feingefühl bewiesen zu haben. Es wäre ein Raub gewesen, die Technik ins Stadion zu lassen. Ein Raub von Emotionen, Dynamik und damit dem Ursprung des Sports. Denn dieser geht in kommerziellen Zeiten von Retortenklubs, unzähligen Werbespots und fanfernem Verhalten peu à peu verloren.
Sicher geht es im Fußball um viel Geld, da möchte ein mancher nichts dem Zufall überlassen. Doch es wären auch wieder die großen Klubs, die eventuell wieder bevorteilt würden. Ohne Kamera konnten die kleineren Klubs die drückende Überlegenheit der Favoriten mal dadurch überstehen, dass der Schiedsrichter den Ball nicht hinter der Linie sah. Viel Glück, aber auch das gehört zum Sport.
Insgesamt ist es die Wut oder Freude, die der Bevor- oder Benachteiligte danach mit ins Bett nimmt, die Schnelllebigkeit des Fußballs und der Rest Archaik, der diesen Sport noch ausmacht. Diese Grundzüge sollten nicht weiter abgebaut werden, das runde Leder und all seine Facetten wurden schon zu Genüge verpfuscht.
Hier bei handelt es sich um einen blogbeitrag von gleichehöhe, unserem Comunio-Magazin. kritik, Anregung gerne hier.
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